Politisch kann in diesem Februar von Tauwetter keine Rede sein, meteorologisch gibt es nichts, das tauen könnte, und die Tropfen auf meiner Stirn rühren nicht von Schmelzwasser, sondern harter Arbeit. Schweiß. Schlicht Schweiß.
Dass es nicht einfach werden würde, einen Kurs online zu bringen, vor allem, wenn man solch ein technisches Embryo ist, wie ich eins bin, war mir klar. Was mich wirklich erwartet, wusste ich zum Glück nicht, sonst hätte ich gar nicht angefangen. Am Ende sind es nur ein paar einfache Worte, die meinen wachsenden Widerstand gegen die viele und zum Teil frustrierende Arbeit – dann doch – dahinschmelzen lassen.
Wie vorher
Fünfundzwanzig Wochen nach dem Unfall letzten August steht das Auto wieder in Berlin. Hurra! Sowohl die Eigentümerin als auch ich schließen es sinngemäß glücklich in die Arme.
Als der Meister aus der Werkstatt in Lüneburg nach vielen schweigsamen Wochen anruft, dass der Wagen zum Abholen bereit sei, denke ich erst, er wolle mir mitteilen, dass nichts mehr draus wird. Dass das fehlende Ersatzteil, das Lenkgetriebe, auf das wir seit Monaten warteten, nicht mehr hergestellt würde oder Ähnliches, dem wirtschaftlichen Totalschaden der technische folge. Aber zum Glück ist dem nicht so.
Nicht nur der Meister ist froh. Schließlich hat das Auto ihm fast ein halbes Jahr lang einen Arbeitsplatz gestohlen, nachdem er es auf die Hebebühne gehievt, Stoßstange und Kotflügel erneuert und alles lackiert hatte und dann die Lenkung ausbaute. Woraufhin das Auto den ganzen Herbst und Winter über manövrierunfähig auf der Hebebühne verbracht hat und die Monteure ihm dort jeden Tag einen guten Morgen wünschten.
Für mich heißt das, einen Schlussstrich ziehen zu können unter unendliche Stunden in der Telefonwarteschleife der Versicherung, um dann jedes Mal mit einem anderen Mitarbeiter zu verhandeln, der dem vorherigen widerspricht.
Unter regelmäßige Touren aufs Land, wo die Autobesitzerin gehbehinderterweise festsitzt und ohne das Auto, das sie uns für drei Tage (!) hatte leihen wollen, nicht einkaufen gehen kann. Touren, die mich jeweils einen ganzen Tag kosten und kräftemäßig noch nachwirken, auch nachdem wir sie im Dezember mit einem Leihwagen zurück in die Stadt geholt hatten.
Und irgendwie auch unter den ganzen Unfall und die polizeiliche Untersuchung und den unangenehmen Rattenschwanz, den so eine Sache nach sich zieht, obwohl das streng genommen mit der vollendeten Autoreparatur nichts zu tun hat.
Wie für mich gemacht
Mein E-Mail Marketing Tool zum Laufen zu bringen, überhaupt alles Technische, treibt mich im Februar an den Rand des Wahnsinns, und ich bin stark versucht, alles hinzuschmeißen.
Nichts dagegen die Stunden, die ich versuche, Reels und Beiträge und Stories auf Instagram und Co. zu produzieren mit dem Link zu meiner Umfrage und später zur Landingpage meines Gratiskurses.
Nichts die Stunden des Suchens nach relevanten FB-Gruppen, deren Administratoren mir bis auf zwei aber nicht einmal erlauben, den Link zur Umfrage zu teilen, geschweige denn den zur Landingpage.
Und nichts die Stunden, die ich mit Kommentieren und Liken in der für mich völlig neuen Welt der Sozialen Medien verbringe, in der Hoffnung, jemand würde auf mich aufmerksam.
Als ich das erste Mal kurz vor dem Aufgeben bin, trudelt eine ausgefüllte Umfrage ein.
Ihr folgen erstaunlicherweise noch ein mehr, und ich erkenne einen gemeinsamen Nenner: Nichts macht mehr Spaß, und es ist keine Zeit oder Kraft für die schönen Dinge des Lebens mehr da im Alltag der chronischen Schmerzpatientin.
Nicht, dass mich diese Antworten sehr erstaunen, schließlich bin ich selber Schmerzpatientin, aber irgendwie hatte ich mir wohl etwas Spektakuläreres erwartet, etwas, womit ich nicht gerechnet hätte.
Ich schöpfe also neuen Mut und entwerfe einen vierwöchigen gratis Onlinekurs. Zumindest einen Titel und ein Kursversprechen: „Lebensfreude trotz chronischer Schmerzen. Finde neue Wege, mit chronischen Schmerzen zu leben!“ Und ich bringe eine Kursbeschreibung zu Papier und kreiere eine Landingpage.
Die E-Mails funktionieren jetzt so halbwegs, aber Automationen und Workflows einzurichten, zusätzlich zu dem ungewohnten Promoten auf SoMe – ich reduziere Essen und Schlafen auf ein Minimum, arbeite jeden Tag ungefähr 12 Stunden, zwar überwiegend im Liegen, aber jede Faser des Körpers schreit.
In dem Moment, in dem ich beschließe, es sein zu lassen, meinen Traum an den Nagel zu hängen, mich um meine eigenen Schmerzen und mein eigenes Leben zu kümmern und nicht um das anderer, in dem Moment kommt meine erste Kursanmeldung herein. Und da steht als Antwort auf meine –automatisierte!– Frage, warum sich die Kursteilnehmerin für diesen Kurs angemeldet hat:
„Weil er wie für mich gemacht zu sein scheint.“
Tja, und dann bringe ich die Vorbereitungen zu Ende.
Ich arbeite ein erstes Kursmodul aus und finde heraus, wie man eine Gruppe auf Facebook gründet, in der die Kommunikation mit den Kursteilnehmern und unter den Kursteilnehmern stattfinden soll, und in der ich meine Videos zu den Kursmodulen veröffentlichen will.
Kleiner Spoiler am Schluss: Von der Frau, die geschrieben hat, sie habe sich für den Kurs angemeldet, weil er wie für sie gemacht scheine, habe ich nie wieder gehört.
Das habe ich im Februar gebloggt
- 12 von 12: Februar 2024
- (für mehr hatte ich einfach keine Kraft)
Darauf freue ich mich im März
- meinen ersten eigenen Onlinekurs durchzuführen: „Lebensfreude trotz chronischer Schmerzen. Finde neue Wege, mit chronischen Schmerzen zu leben!“
- Ostern