Wenn nach 30 Seiten Schluss ist – 3 Gründe für den Schreib-Stopp

Du hast eine tolle Idee für ein Schreibprojekt, eine Idee, die dir einen richtigen Energieschub versetzt, sobald du daran denkst, aber aus dieser Idee wird nie ein fertiges Buch? In diesem Blogartikel erfährst du die drei Gründe, warum sich manche Ideen nicht materialisieren und was du dagegen tun kannst.

Eine Idee will sichtbar werden

Ideen kommen zu uns und drängen darauf, materialisiert zu werden. Entweder sind sie in einem langen inneren Prozess in uns herangereift, oder sie schießen uns plötzlich in den Kopf, und wir haben das Gefühl: Wow, das ist was, darüber möchte ich schreiben! Einen wissenschaftlichen Essay, einen Artikel, eine Kurzgeschichte, ein Sachbuch, einen Roman. Immer geht es darum, aus einem nicht sichtbaren Gedanken ein sichtbares Produkt zu machen, das andere sehen können. Und was den Blicken der Welt preisgegeben ist, steht in Gefahr, beurteilt zu werden. Gar verurteilt. Und wir selber gleich mit.

Du hast also diese großartige Idee. Vielleicht kommst du nicht einmal so weit, mit dem Schreiben anzufangen. Deine Zweifel haben die Idee schon längst zerpflückt. Zweifel an der Idee selbst – „Ist die Idee auch gut genug, will das jemand lesen?“ – und Zweifel an deiner eigenen Identität als Autorin – „Bin ich überhaupt fähig, diese Idee umzusetzen?“
Vielleicht aber machst du dich auch mit Feuereifer ans Werk. Du schreibst los, dass die Funken fliegen. Diese Idee muss hinaus in die Welt! Du siehst dich bei Lesungen vor einem begeisterten Publikum. Du siehst dich Preise entgegennehmen, Statuen, Plaketten und Blumensträuße. Du trägst sie in dein neues Haus am Strand, in dem du morgens die Fenster zum Meer hin öffnest, und die Inspiration zu noch größeren Werken strömt herein.
Doch dann ist Schluss. Du hast etwa dreißig, vierzig Seiten geschrieben, und mit jeder Seite mehr Text ist deine Kreativität weniger geworden, eingetrocknet wie die letzte Pflaume am Baum im September.

Meistens ist einer von drei Gründen dafür verantwortlich, warum ein Buch nicht so wird wie gedacht.

Warum aus deiner Idee kein Buch wird

  1. Du schreibst ein Stellvertreter-Buch

    Lass uns einmal folgende Parallele ziehen: Du träumst schon früh davon, Schriftstellerin zu werden, aber deine Eltern halten das für unvernünftig, weil: brotlose Kunst. Also versuchst du, mit deiner vernünftigen Berufswahl der Welt der Literatur so nahe wie möglich zu kommen. Du wirst Literaturwissenschaftlerin, Journalistin, Übersetzerin, Literaturkritikerin, Buchhändlerin oder Bibliothekarin. Und du hoffst, dass es dir eines Tages von diesem Boden aus gelingt, den Absprung zu schaffen und das zu werden, was du eigentlich werden wolltest: Schriftstellerin. Für wie hoch hältst du die Wahrscheinlichkeit, dass aus dem Traum Wirklichkeit wird?

    Mit einem Stellvertreter-Buch verhält es sich ähnlich.
    Du hast eine großartige, eine ganz einzigartige und neue Idee. Du willst etwas nie Dagewesenes schreiben, eine neue Weltsicht offenbaren, geltende Moral und Normen herausfordern, einen völlig neuen Stil kreieren, eine eigene Sprache erschaffen. Oder du willst schlicht über das Thema schreiben, das in dir brennt. Und dann setzen deine vernünftigen Überlegungen ein. Du fängst an, strategisch zu denken und dich zu fragen, was Verlage haben wollen. Wofür es einen Markt gibt. Du denkst: „Es liegen ganz andere Themen als meins im Trend. Ich möchte ein Buch über einen kleinen Jungen schreiben, der bei seiner Großmutter in Wanne-Eickel wohnt. Aber verkauft sich ein Buch über das Schicksal eines Flüchtlingsmädchens nicht besser?“
    Und so schreibst du das Buch, das du für vernünftig hältst: ein Stellvertreter-Buch. Aber diesem Buch fehlt es an Herzblut, es begeistert dich nicht, und so verschwindet deine Kreativität.

  2. Du überfrachtest dein Buch

    Du hast diese absolut großartige Idee, die ein Buch werden soll, aber du glaubst nicht, dass du je im Leben noch einmal so eine tolle Idee haben wirst.
    Oder du glaubst zwar daran, dass du auch später im Leben noch gute Ideen wirst entwickeln können, aber bezweifelst, dass dir mehrmals der große Wurf gelingen kann, du genügend Kraft, Energie oder auch Glück haben wirst, den Erfolg zu wiederholen.
    Und so packst du alles, was du an Ideen zu deinem Thema hast, in diesen einen Text. Du überfrachtest ihn mit Details. Du machst Schauplätze und Nebenschauplätze auf. Du legst Handlungsstränge an und Nebenhandlungsstränge, bis du dich heillos in ihnen verhedderst und dein Schreibprojekt wie ein überladenes Containerschiff im Bermudadreieck untergeht.

  3. Du hältst deinen Text fest

    Bei dieser Variante schreibst Du von Anfang an nur tröpfelnd oder überhaupt nicht. Du lässt die Wörter nicht frei auf das Papier oder den Bildschirm fließen und hältst sie umklammert wie dein Kind auf einem Schiff bei hohem Seegang.
    Vielleicht bist du unsicher und traust dich nicht, deine ehrliche Meinung zu sagen, oder du traust dich nicht, sie auf deine Weise zu sagen.
    Vielleicht bist du auch dem Genie-Kult von den großen deutschen Dichtern und Denkern aufgesessen und hast die Vorstellung im Kopf, ein Genie knallt einen Text aufs Papier, der sofort sitzt. Eine Vorstellung, die zu der Idee geführt hat, Worte seien etwas Kostbares, das man nicht verschwenden darf. Jeder Text muss gleich etwas sein. Noten hingegen kann man zu Übungszwecken rauf und runter fiedeln, mit Bleistiftstrichen Skizzenbuch um Skizzenbuch vollkrakeln, aber ein Text, nein, der kommt in einem Guss aus dem wahren Autor heraus!

    Vor allem aber hältst du deinen Text zurück, weil du dir Sorgen machst, was passiert, wenn das Buch fertig ist, noch bevor du es geschrieben hast!
    Was, wenn kein Verlag das Manuskript haben will und das Buch nie gedruckt wird? So eine Zeitverschwendung!
    Was, wenn ein Verlag das Buch doch haben will, dein Text plötzlich in jeder Buchhandlung liegt und alle ihn lesen können? Da kannst du dich ja gleich nackt auf der Straße ausziehen!
    Was, wenn das Buch erscheint und deine alte Deutschlehrerin liest es und findet es so schlecht, dass sie dir am liebsten im Nachhinein das Abitur aberkennen würde? Welche Blamage!
    Was, wenn deine früheren Klassenkameraden das Buch lesen und sich totlachen? Du hast ja nie richtig dazugehört!
    Was, wenn deine Mutter es liest und sauer ist? Scham und Schande!
    Was, wenn das Buch erscheint, aber Dennis Scheck spricht nicht darüber? Der ultimative Beweis, dass du nicht zur Schriftstellerin taugst!
    Was, wenn Dennis Scheck das Buch doch bespricht und in die Tonne haut? Du kannst nie wieder das Haus verlassen!

    All diese vorweggenommenen Zukunftssorgen haben einen einzigen Effekt: Sie setzen dich derart unter Stress, dass nichts mehr geht. Denn bei Stress geht unser Körper in den Überlebensmodus, und zum Überleben ist das Ausüben kreativer Tätigkeiten nicht notwendig, die Kreativität stagniert.
    Deine Idee ist gut. Du kannst schreiben. Du beherrscht das Handwerkszeug. Wenn trotzdem nach spätestens dreißig oder vierzig Seiten Schluss ist, dann liegt das am Stress, den du dir mit den vorweggenommen Sorgen machst.

Was du bei Schreib-Stopp tun kannst

Im folgenden möchte ich dir ein paar Tipps geben, die den Schreib-Stopp verhindern helfen:

  • Schreib, wo es brennt!
    In dir! Hör nicht auf die Ratschläge von anderen, analysiere nicht „den Markt“, sondern schreib, wofür du brennst. Nur so entsteht Text, der nicht nur einzigartig und originell ist, sondern auch dein Schreibfeuer im Verlauf des Schreibprozesses am Lodern hält.

  • Vertraue auf die unerschöpfliche Quelle für Text in dir!
    Eine gute Möglichkeit, die Erfahrung zu machen, dass scheinbar aus dem Nichts heraus Ideen und Formulierungen auftauchen, ist das Schreiben von Morgenseiten.

  • Schreib sinnloses Zeug!
    Der Schreibmuskel ist ein Muskel, der wie jeder andere trainiert werden will. Nimm einen Stift und ein Blatt Papier und schreib, ohne den Stift abzusetzen. Ohne jedes Ziel, ohne Absicht. Stell dir einen Wecker und schreibe fünfzehn Minuten lang Worte ohne Sinn und Verstand. Regelmäßig. Nach einer Weile wirst du feststellen, dass Worte nur Worte sind, kein Gold, du kannst verschwenderisch mit ihnen umgehen. Auch hier eignet sich das Schreiben von Morgenseiten.

  • Schreib so schlecht du kannst!
    Erlaube dir selbst, so schlecht zu schreiben wie nur irgend möglich. Deine Figuren sind Stereotype? Prächtig! Deine Sprache ist voller Klischees?Super! Dein Text ein unstrukturierter Salat? Herzlichen Glückwunsch!

  • Schreib einen miesen ersten Entwurf, ohne zwischendurch zu überarbeiten!
    Aller Text, den du je in deinem Leben gelesen hast, ist vielfach überarbeiteter Text. Leider messen wir uns und unseren Text an fertigen Büchern, denen man nicht ansieht, wieviele Versionen sie seit dem ersten Entwurf hinter sich haben. Deine Aufgabe ist es, einen ersten Entwurf zu schreiben. Und zwar fertig zu schreiben. Und dafür ist es am besten, wenn du ihn nicht zwischendurch liest und überarbeitest. Mach dir keine Sorgen, ob dein erster Entwurf schlecht ist. Er darf schlecht sein. Er muss es sogar. Verbessern kann man immer noch. Aber um etwas zum Überarbeiten zu haben, muss der Text erst einmal existieren. Wenn beim Einschalten deines Computers der Cursor am Ende des Textes blinkt, den du gestern geschrieben hast, und deine Augen magisch von dem Geschriebenen angezogen werden, dann kann es helfen, sowohl Hintergrund als auch Schriftfarbe auf weiß zu setzen, bis du das letzte Wort geschrieben hast.

Konnten meine Tipps dir helfen? Dann hinterlasse gern unten einen Kommentar!

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